Psychodramatische Lesung des ‚Zauberbergs‘
Ein Toter, drei Erschrockene und ein Saal von Überraschten. Eine Lesung der besonderen Art eröffnete das QC-Tagungswochenende am 11.-13. Oktober 2019 in Hannover. Gehalten wurde sie durch eine vierköpfige Gruppe um den Distriktmeister NI/ST der Großloge A.F.u.A.M.v.D., Br. Alexander Trettin. Hieran nahmen im Logenhaus in der Lemförder Straße etwa 50 Freimaurerinnen und Freimaurer, sowie Gäste der Loge ‚Zur Ceder‘ (Große Landesloge) teil. Die Motive der eineinhalb stündigen psychodramatischen Lesung entstammte dem Roman ‚Der Zauberberg‘ von Thomas Mann.
Die Lesung mit darstellerischen Elementen konzentrierte sich in sehr stark verdichteter Form auf nur vier Charaktere und einen Handlungsstrang des Buches. Die Geschichte ist im Lungensanatorium Berghof im schweizerischen Davos angesiedelt und die Protagonisten sind aufgrund der Abgelegenheit des Ortes und ihrer Krankheit der Welt entrückt. Sie teilen die Welt in „die da unten“ und „wir hier oben“ ein. Dadurch erfährt die Polarität von Krankheit und Gesundheit, Leben und Tod besondere Intensität und Bedeutung.
Br. Robert Brand aus der Loge ‚Zum hellleuchtenden Stern‘ in Celle verkörperte Hofrat Dr. Behrens, der durch die Geschichte leitete. Dr. Behrens ist der leitende Arzt des Hauses und macht sich über die Grenzen der medizinischen Macht keine Illusionen. Deshalb redet er oft humorvoll und zynisch-burschikos; der Tod ist ihm alltägliche Gegenwart.
Hans Castorp, der eigentlich nur seinen erkrankten Vetter besuchen wollte, wird zum unheldischen Held dieser Geschichte. Er lauscht als „lichtsuchende Jugend“ aufmerksam und geschmeichelt, den heftigen Wortgefechten von Lodovico Settembrini und Prof. Leo Naphta, die sich beide stark um ihn bemühen. Darstellung erfuhr Hans Castorp durch Br. Evangelos Tzavaras, ebenfalls aus der Celler Loge.
Die Spannungsachse der Lesung wird durch die Kontrapositionen der Charaktere Naphta und Settembrini gebildet, wobei die Freimaurerei, ihr Wesen, ihre Geschichte, Nutzart und Wirkung den herausragenden Teil einnimmt.
Naphta, der aus einer frommen jüdischen Familie stammt, zum Katholizismus konvertierte und Jesuit ist, erhielt Verkörperung durch Br. Alexander Trettin. Naphta lehnt als religiöser Fundamentalist und Fanatiker die Evolution, wie die ganze Natur, ab. Da die Menschen unterworfen werden müssen plädiert er für „Terror“ als Schreckensdurchgang zum Heil der Welt.
Sein Gegenspieler ist der italienische Intellektuelle und Freimaurer Settembrini, dargestellt vom Distriktredner Bodo Dannhöfer aus der Loge ‚Baldur‘ in Hannover. Settembrini pflegt ein erzieherisches Interesse an Castorp; in zahlreichen Gesprächen verteidigt er Vernunft, Aufklärung, Arbeit und Gesundheit. Dabei lässt er keine Möglichkeit aus, seine Intellektualität mit Leo Naphta zu messen.
Des gesamten Zauberbergs bemächtigt sich der „Dämon“ der Zanksucht, die von der Langeweile abstammt. Sie steigert sich durch die Reizbarkeit der Charaktere und eskaliert schließlich im Pistolenduell zwischen Naphta und Settembrini, bei dem Naphta sich überraschend selbst erschießt.
Das Publikum honorierte die Leistung der Leser durch Applaus und anschließende persönliche Glückwünsche. Der sichtlich erfreute Ehrenmeister der QC Br. Hans-Hermann Höhmann, auf dessen Initiative die Lesung zurückging, hob besonders die gute Darstellung der Charaktere hervor. Ebenfalls im Nachgang stellte der Distriktmeister Br. Alexander Trettin kurz die wichtigsten Schritte in der Methode des Psychodramas vor und erwähnte, wie viel Freude allen Beteiligten die einjährige Arbeit mit dem Text, den Rollen, der Darstellung und den Proben gemacht hat.
Diese Lesung soll an weiteren Orten aufgeführt und ihren Abschluss am Wochenende im Juli 2021 am Schauplatz des Romans, dem Lungensanatorium in Davos haben.
Falls Interesse an einer eigenen Aufführung bestehen sollte können Anfragen per Mail an den Distriktmeister, (Dr.) Alexander Trettin, gestellt werden: dm.na-st@freimaurerei.de
– Geplant sind Folgeaufführungen, welche durch die derzeitige Situation ausgesetzt sind –